Freitag, 27. Mai 2011

Leben in einer anderen Kultur

Leben in einer anderen Kultur ist definitiv etwas anderes als Urlaub in einer anderen Kultur zu machen.
Urlaub bedeutet irgendwie die wichtigtsten Sehenswürdigkeiten des Landes zu besuchen, viele viele Fotos zu machen, mit Glück ein bisschen in Kontakt mit Einheimischen zu kommen und nach wenigen Wochen wieder zurückzufahren.
Leben in einer anderen Kultur bedeutet aber eben schlichtweg:
Den Alltag der Menschen mitzuerleben mit allem Drum und Dran.

Fast 10 Monate bin ich nun schon in Peru. 10 Monate in denen ich mich hier so gut eingelebt habe, dass mir Deutschland oft ganz weit weg vorkommt.
Während der Anfangszeit hier war ich noch total auf das Urlaubsgefühl eingestimmt: Alles war so neu und aufregend und faszinierend und von allem wurden Fotos gemacht.
Bei unserem Vorbereitungsseminar meinte ein Leiter einmal scherzhaft: "Die Anfangszeit des längeren Auslandsaufenthaltes kann man mit den Flitterwochen vergleichen. Das ist die Zeit, in der man die nervige Fliege zuerst noch fotografiert bevor man sie totschlägt."
Er hat es auf den Punkt getroffen.
Dieses Urlaubsgefühl ist aber schon lange verschwunden.
Für mich ist hier in Peru eben der Alltag eingekehrt - das Land ist voll und ganz zu meiner zweiten Heimat geworden.
Und Dinge, die anfangs noch als anders empfunden wurden, sind völlig normal geworden.

...so zum Beispiel die vielen Straßenhunde, die hier entweder faul an den Straßenecken herumliegen oder dich agressiv vom Dach der Häuser anbellen.
(Ja, die Wachhunde bewachen die Häuser hier von oben).
...oder der Anblick der vielen Stromkabel zwischen den Häusern und Straßen.
Der reinste Kabelsalat!
...oder der Müll! Die Mülltüten werden hier einfach an den Straßenecken abgelegt und stauen sich zu großen Haufen an, bis sie vom Müllwagen abgeholt werden. Davor fallen sie aber meist den Straßenhunden zum Opfer und der Inhalt ist dann über die halbe Straße verteilt.
...oder die vielen traditionell gekleideten Menschen, die einfach so anders aussehen als in Europa. Die Frauen mit ihren weiten bunten Röcken, mit ihren zwei langen schwarzen Zöpfen und ihren Tragetüchern auf dem Rücken.
...die vielen kleinen Tiendas hier. Im Gegensatz zu Deutschland wird hier überwiegend auf dem Markt oder in diesen Tiendas eingekauft, die man mit Tante-Emma-Läden gleichsetzen kann und in denen man von Getränken, Keksen, Batterien, Klopapier und Zahnbürsten einfach alls kaufen kann.
...oder das System der öffentlichen Verkehrsmittel. Hier hat kaum jemand ein eigenes Auto. Die Menschen fahren Bus oder Taxi. Allerdings gibt es kein Busfahrplan und in der Tür steht immer eine Person, die laut die Fahrtziele ausruft: "Hospital, San Camilo, Goyeneche, Hospitaaaaal!"
Vor den Taxifahrten in den kleinen gelben Autos verhandelt man mit dem Fahrer um den Preis. Eine Fahrt von 15 Minuten kostet ungefähr drei Soles, nicht einmal ein Euro.
Ach ja, und man schnallt sich nicht an. Die Mehrheit der Autos hier hat keine Anschnallgürte oder diese sind kaputt.
...oder die Tatsache, dass es immer wieder einmal Wasserausfall gibt. Wegen Wasserknappheit oder Bauarbeiten oder sonstigen Gründen.
...oder die Musik an jeder Straßenecke, in jedem Geschäft und in jedem Bus und jedem Taxi.
...oder die Begrüßung,die aus einem Küsschen auf die linke Wange besteht.
...oder der Glaube an Naturgötter und Heilpflanzen, der sich in den vielen kleinen Läden widerspiegelt, in denen man Heilsäfte und -kräuter und Glücksbringer kaufen kann.
...oder die vielen Essenstände auf offener Straße, die Fleischspieße, salziges Popcorn, Eis, Empanadas oder Milchreis verkaufen.

Ach, ihr könnt es euch schon denken: Die Liste könnte ewig so fortgesetzt werden.
Was ich damit auszudrücken versuche, ist das Gefühl in einer so fremden Kultur zu leben und alles als normal betrachten zu können.

Hinzu kommt natürlich, dass ich in Arequipa einfach auch den Alltag lebe. Ich gehe morgens zum Arbeiten, treffe mich mittags mit Freunden und dreimal in der Woche geht es abends zum Salsa-Unterricht.
Ich weiß mittlerweile wo es die beste Chicha Morada(peruanisches Erfrischungsgetränk) und die besten Empanadas gibt, wo ich meine Schuhe zum reparieren bringen kann und wo es billiges Obst und Gemüse zu kaufen gibt.

Der Kulturschock wird mich wohl dann in Deutschland überkommen.
10 Monate ohne Fernseher, Spül- oder Waschmaschine, ohne die deutsche Pünktlichkeit und ohne Busfahrplan haben mich mittlerweile doch sehr geprägt.

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