Dienstag, 28. Juni 2011

Zähneputzen im Comedor - Das Projekt kann beginnen!!

Gestern war für mich ein ganz besonderer Tag.
Gestern begannen wir zum ersten Mal mit dem Zähneputzen im Comedor - ein Projekt, das ich nun schon seit langer Zeit plane, um das ich nun schon seit langer Zeit bange und das ich beinahe aufgegeben hätte.

Dass Entwicklungszusammenarbeit schwieriger ist als gedacht, habe ich in den letzten Wochen herausgefunden. Alle waren begeistert von der Idee eines Zahnputz-Projektes, aber irgendwie kam die Sache trotz großer Motivation einfach nicht voran.
Ich habe dabei einen großen Kulturunterschied festgestellt, vor allem was Verlässlichkeit angeht..
Die Mütter hatten mir versichert eine Sickergrube für das Abwasser zu graben.
Doch schon nach zwei Tagen kamen die Frauen nicht mehr und so ist die Grube bis heute nicht mehr als einen halben Meter tief. Ich hab mir die Haare gerauft.
Also wurde erneut organisiert, es wurden erneut Listen geschrieben - doch wieder erfolglos.
Letzte Woche redete ich dann noch einmal mit meiner Chefin Deisi und als sie merkte, wie wichtig mir das Projekt ist, gab sie nach.
"Dann werden wir das Projekt eben ohne Sickergrube beginnen und das Abwasser erst einmal wie gewohnt auf die Straße kippen!"
Ich konnte es nicht fassen: Genau das war doch schon vor Ewigkeiten mein Vorschlag gewesen!!

Aber nun hatte ich die Zustimmung und so konnte es losgehen.
Ich habe also viele bunte Zahnputzbecher in den Farben der Gruppentische im Comedor gekauft und ein großes Plakat mit der richtigen Anweisung zum Zähneputzen gemalt.
Zusammen mit Sarah habe ich dann gestern 95 Kindern erklärt, wie man seine Zähne richtig putzt. Und entgegen meiner Befürchtungen, waren die Kinder total begeistert von dem neuen Projekt. Es scheint ihnen sogar richtig Spaß gemacht zu haben, denn nach dem Putzen fuhren sie sich verwundert mit ihren Fingern über die nun sauberen Zähne und strahlten uns an.
Ich bin wahnsinnig glücklich und auch ein bisschen stolz, dass das Projekt nun endlich beginnen konnte und blicke mit großem Optimismus in die Zukunft unseres Comedors.







Dienstag, 21. Juni 2011

Día alemán



Eine Deutschlandfahne in der Schule von La Mansión, Fotos von Schnee, den Alpen und der Nordsee im Klassenzimmer und eine Lehrerin, die die deutsche Nationalhymne singt?
Was kann es nur damit auf sich haben?

Ganz klar: Der día alemán natürlich!
Ich habe diesen Montag und Dienstag jeweils einen deutschen Tag eingeführt und statt Englischunterricht den Kindern etwas über Deutschland erzählt.
Der Sinn dahinter war, dass ich den Kindern endlich meine Heimat näher bringen und ihnen das Projekt mit der Partnerschule in Langenau erklären wollte.

Schon bei der ersten Frage musste ich schmunzeln. Als ich den Kindern erzählte, dass Deutschland sehr weit weg ist, fragten sie zum Beispiel:
"Weiter als Lima? Noch weiter als Chile? Waaaas, hinter dem Ozean???"

Ich zeigte ihnen Fotos vom Schwarzwald, vom Bodensee und den Alpen, von der Nordsee, von unseren Schlössern, von Berlin und anderen deutschen Städten. Große Begeisterung lösten vor allem die Bilder von Schneelandschaften aus und die Kleinen konnten es kaum fassen, dass wir weiße Weihnachten bei Minustemperaturen feiern, während sie am selben Tag schon im Schatten schwitzen.

Ich erzählte ihnen etwas über deutsches Essen("Was? Ihr esst keine Meerschweinchen?"), erklärte ihnen einige Worte auf deutsch, zeigte ihnen unsere Flagge und sang ihnen die Nationalhymne vor.

Danach gab es eine große Fragerunde. "Sind in Deutschland alle blond?", "Bist du mit dem Boot nach Peru gekommen?", "Sind in Deutschland alle Millionäre?".
Ich musste oft lachen und ihnen erklären, warum es weder Lamas noch Affen in Deutschland gibt und warum wir auch keine Vulkane haben.

Auch die Schulpartnerschaft mit meiner Schule, dem Robert-Bosch Gynasium in Langenau, interessierte sie sehr.
"Wir haben wirklich Freunde am anderen Ende der Welt? Wie schöööööön!!!"
Die große Überraschung kam dann aber am Schluss.
Das Robert-Bosch Gymnasium hat mir für alle Schüler Armbänder in Deutschlandfarben geschickt. Diese teilte ich am Ende des Unterrichtes aus und die Kleinen freuten sich natürlich riesig über dieses Geschenk.

Als Dankeschön haben wir zusammen auch etwas für die Partnerschule vorbereitet.
Wir haben viele Bilder für die Schüler in Deutschland gemalt und ihnen Briefe geschrieben.

Einige Ausschnitte davon, will ich euch hier zeigen:

"Hallo meine Freunde aus Deutschland. Euer Land ist sehr schön. Das schönste Land der Welt wahrscheinlich. Ich hoffe ich kann euch einmal besuchen und den weißen Schnee sehen..."
(Nataly, 10 Jahre)

"Hallo. Ich male euch ein Bild von einem Tier, das ihr nicht kennt. Das Tier ist ein Vogel und heißt Kolibri und meine Lehrerin Judith hat gesagt, dass es bei euch keine Kolibris gibt. Das ist schade. Ich schicke euch viel Liebe aus Peru, euer Freund Yeyson" (Yeyson, 9 Jahre)

"...ich will euch sagen, dass ihr immer in meinem Herzen sein werdet, meine lieben Freunde aus Deutschland. Ich will auch einmal nach Deutschland aber ich muss euch etwas sagen. Deutschland ist sehr weit weg.
Ihr seid aber immer herzlich willkommen in Arequipa und könnt mich besuchen kommen. Wir empfangen euch mit offenen Armen, liebe Freunde.
Danke für alles."
(Leydi, 11 Jahre)






Dienstag, 7. Juni 2011

Ollanta Humala gewinnt Präsidentenwahlen in Perú

Das Top-Gesprächsthema der letzten Monate war hier in Perú eindeutig die Präsidentenwahl.
An jeder Straßenecke hingen Wahlplakate, an den Wänden standen in großen Buchstaben die Namen der Kandidaten und ständig fuhren Autos mit Wahlwerbung durch die Stadt.
In Perú herrscht Wahlpflicht, ein Fünftel der Peruaner lebt in extremer Armut und die Hälfte in Armut.
Diese Mischung veranlasst Politiker dazu, mit allen Mitteln die Gunst dieser Menschen zu erwerben.
Es werden die größten Versprechungen gemacht, Reis in Armenvierteln ausgeteilt, Wasser-und Stromleitungen gelegt und in meiner Schule in La Mansión bekamen die Kinder Schulhefte mit dem Gesicht Keiko Fujimoris geschenkt.
Eine Tatsache, die mich einfach unglaublich wütend macht.
Denn eigentlich weiß jeder: Sobald der vorher noch so bemühte Politiker an die Macht kommt, interessiert er sich kaum noch für die Armen.

Fünf Kandidaten standen bis April zur Auswahl. Vergangenen Sonntag kam es dann zur Stichwahl zwischen dem Linkspopulisten Ollanta Humalla und der konservativen Keiko Fujimori.
Ollanta Humalla konnte die Wahl mit rund 51% der Stimmen knapp für sich entscheiden.

Die Stimmung im Land ist verständlicherweise total gespalten.

Der Name Fujimori ist bekannt. Keiko ist die Tochter des peruanischen Ex-Dikators Alberto Fujimori, der nach seiner Amtszeit wegen zahlreichen Verbrechen (darunter Korruption und zahlreichen Menschenrechtsverletzungen) zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde.
In Interviews bestätigte Keiko aber immer wieder, das Vergangene nicht wiederholen, sondern Peru zu einer besseren Zukunft verhelfen zu wollen.
Die Ziele der Partei Fuerza 2011 waren die Verbesserung der Bildung, ein Zusatzgeld für existenziell Arme, ein Gratisfrühstück für alle Schulen, die Verbesserung des Verkehrsnetzes und mehr Tourismus.
Natürlich wurde aber auch darüber gemunkelt, dass Keikos Hauptziel darin bestehe, ihren Vater aus dem Gefängnis zu holen.

Aber wie schon gesagt, knapp gewonnen hat der frühere Militär Ollanta Humala, der der Partei Gana Perú angehört und nun für die nächsten 5 Jahre das Land regieren wird.
Sein Wahlspruch "por el gran cambio - für die große Veränderung" scheint die Mehrheit der Peruaner überzeugt zu haben.
Die Ziele dieser Veränderung sind antiimperialistisch, nationalistisch und militärisch ausgerichtet.
Es ist davon auszugehen, dass Humala die Sozialausgaben in Peru massiv erhöhen wird. Ähnlich wie in anderen lateinamerikanischen Ländern geschehen, hat er angekündigt, die direkte Unterstützung Bedürftiger mit Regierungsgeldern stark auszubauen.
Direkte (auch finanzielle?) Unterstützer Humalas sind der Präsident Venezuelas Hugo Chavez und der brasilianische Ex-Präsident Lula da Silva.
Stimmen der Bevölkerung fürchten nun, dass "el gran cambio" zu radikal aussehen könnte und Humala ein "zweites Kuba" errichten wird.

Die Peruaner haben sich also zwischen den "zwei Übeln" einer möglichen Rückkehr der Vergangenheit unter Fujimori und einer ungewissen Zukunft mit Humala für das zweite entschieden.

Montag, 6. Juni 2011

Profesora Judith - mein Alltag als Lehrerin

Nun bin ich schon seit 10 Monaten in Perú.
10 Monate sind vergangen seit meinem ersten Tag als Lehrerin in der Schule von La Mansión.
Vieles hat sich verändert.
Vieles ist gleich geblieben.

Wenn ich heute in die Schule komme, werde ich von meinen Kleinen schon wie selbstverständlich mit "Good morning" begrüßt und "Goodbye" verabschiedet.
Die Schüler wissen, was es bedeutet, wenn ich meinen Zeigefinger an den Mund halte und bis drei zähle: "Uno, dos, tres-silencio!" und die Kinder sind ruhig.
Sie wissen auch, dass ich ihnen nur eine Sonne, einen Schmetterling oder einen Clown mit den Worten "muy bien-very good" in ihre Hefte male, wenn sie alles schön abgeschrieben und ausgemalt haben.
Und die Schüler haben wirklich etwas gelernt. Auf Englisch können sie nun ihren Namen und Herkunft sagen, sie wissen die Zahlen, Farben, das Alphabet, Tiere, Famlienmitglieder, Körperteile und singen verschiedene Lieder.
Ja, ich bin stolz auf meine Schüler!

Und trotzdem war und ist der Alltag als Lehrerin für mich anstrengender als gedacht und leider oft auch sehr unbefriedigend.
Ein Grund dafür ist die schlechte Konzentrationsfähigkeit und Disziplin der Kinder.
Ich versuche mit allen Mitteln den Schülern die Vokabeln beizubringen: Wir schreiben ab, malen, singen und machen Wettbewerbe und trotzdem bleibt nur die Hälfte des Gelernten bei ihnen hängen.
Der frustrierendste Moment für mich war eindeutig unser Wiedersehen nach zwei Monaten Ferien: Die Kindr hatten ohne Übertreibung wirklich fast alles vergessen und wir mussten noch einmal bei null anfangen.

Ein weiteres Problem ist für mich leider nach wie vor die laue Unterstützung der anderen Lehrer. Der Rektor scheint hauptsächlich an Geld interessiert zu sein ("Judith, kannst du nicht Englischbücher für alle Schüler kaufen? Judith, kannst du den Schulausflug der Kinder zahlen?")
Und die Lehrer, von denen selbst nur zwei Englisch sprechen, scheinen mich nach wie vor nicht wirklich ernst zu nehmen.
Dies liegt vielleicht auch an unseren unterschiedlichen Unterrichtsmethoden.
Vor kurzem spielte ich mit den Kindern ein Spiel, bei dem sie im Klassenzimmer umherrennen und bunte Dinge suchen mussten. Der Sinn bestand darin, mir die Farben auf Englisch zu erklären.
Nicht nur die Kinder, sondern auch ich hatte meinen Spaß und wir lachten viel.
Doch dann kam auf einmal die Klassenlehrerin herein und schimpfte: "Was ist denn hier los? Setzt euch sofort hin, wir sind doch nicht im Zirkus!"
Ich erklärte ihr die Situation und spiele auch nach wie vor viel mit den Kindern.
Frustrierend war die Situation aber trotzdem.

Wie könnte also mein Fazit nach dieser Zeit als Lehrerin in La Mansión lauten?
Ganz klar: Die Freuden meines Arbeitsalltags bestehen aus den kleinen Dingen.
Ich freue mich, wenn der sonst so unkonzentrierte Carlos auf einmal total bemüht meinen Tafelaufschrieb abschreibt und mit bunten Farben verziert.
Es macht Spaß mit den Kindern lauthals "head, shoulders, knees and toes" zu singen und zu sehen, wie sie dazu tanzen und lachen.
Und es ist einfach total schön nach der Schule die Kinder im Comedor stolz über meinen Unterricht reden zu hören: "Hoy aprendemos los animales - Heute haben wir die Tiere gelernt!" oder "Profesora Judith, que vamos a aprender la semana que viene? - Was werden wir nächste Woche lernen?"