Freitag, 14. Januar 2011

La vida en La Mansión - Das Leben in La Mansión

Mit dem neuen Jahr fing nun auch ein neuer Abschnitt im Comedor in La Mansión an und es konnten sich neue Kinder und Mütter für das Projekt einschreiben.
Für uns hieß das konkret: Jeden Tag Kinder wiegen und messen, die neuen Werte mit den alten vergleichen, Gespräche mit den Eltern führen und neue Essenspläne erstellen.
Wofür eigentlich nur drei Tage veranschlagt waren, dauerte dann aber doch fast zwei Wochen. Zwei intensive und gleichzeitig wahnsinnig interessante Wochen.

Um mehr über die Lebensverhältnisse der einzelnen Familien zu erfahren, haben wir Fragebögen erstellt.
Gefragt haben wir zum Beispiel wie lange die Familien schon in dem Viertel leben, wie viele Kinder sie haben und ob die Eltern verheiratet oder geschieden sind.
Die Antworten waren oft schockierend: Viele Familien leben schon seit über 10 Jahren in La Mansión, durchschnittlich hat eine Familie vier Kinder und die meisten Mütter sind alleinerziehend.

Weitere Fragen bezogen sich auf die Schulausbildung, den Beruf und das Gehalt der Eltern. Auch hier ähnelten sich die Geschichten sehr und machten mich nachdenklich.
Viele Frauen haben nur die Grundschule abgeschlossen um noch im Kindesalter ihren Eltern bei der Arbeit zu helfen. Oft haben sie mir aber auch erzählt die secundaria, die weiterführende Schule, abgebrochen zu haben, weil sie schwanger geworden sind.
Häufig arbeiten sie auf dem Feld oder verkaufen Früchte auf dem Markt.
Männer arbeiten oft als Mechaniker oder Busfahrer. Die traurige Wahrheit ist aber auch, dass oft ein großer Teil des Lohnes für die Alkoholsucht vieler Männer draufgeht.


Außerdem befragten wir die Eltern zu Ernährung und Gesundheit ihrer Kinder.
Hier war es vor allem interessant herauszufinden, dass das Problem nicht immer Unterernährung, sondern vor allem falsche Ernährung ist.
Es wird viel Kartoffel, Reis und billiges Fleisch wie Hühnchen und Alpaka gegessen - Kohlenhydrate und Fett. Dazu kommt ein hoher Zuckerkonsum durch süße Getränke.
Milchprodukte, Früchte und Gemüse sind vergleichsweise teuer und werden deshalb wenig konsumiert.
Folglich gibt es sogar Kinder, die schon mit zehn Jahren Übergewicht haben und
auch nicht für den Comedor zugelassen werden.
Für die Mehrheit der Kinder bietet der Comedor aber nun die Möglichkeit einer ausgewogenen Ernährung. Jede Mahlzeit wird nämlich total durchgeplant und es wird sehr auf Kalorien und wichtige Nährstoffe geachtet.



Ansonsten gab es viele Fragen über die Wohnsituation der Familien.
Die Antworten ließen mich schlucken. Die kleinen Häuschen sind ausnahmslos alle aus Sillar-Steinquadern mit dünnen Wellblechdächern. Die Mehrheit dieser Wohnungen bestehen aus nicht mehr als 2 Zimmern.
Ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung hat zwar mittlerweile Elektrizität, dafür gibt es aber im ganzen Viertel kein fließend Wasser. Die Toilette besteht aus einem kleinen Loch im Boden mit einem Vorhang davor-entweder im Haus oder im Garten. Gekocht wird mit Gas oder Holz.


Konkrete Geschichten zweier Mütter hören sich so an:

Demi Alicia Quispe, 38 Jahre
lebt seit 16 Jahren in La Mansión und bekam ihr erstes Kind mit 18.
Mittlerweile hat sie 5 Kinder und ist alleinerziehend. Sie verdient 42 soles in der Woche durch Plastik-Recycling - um die 10 Euro.
Der älteste Sohn ist Mechaniker und trägt noch 400 soles wöchentlich, also 100 Euro, zum Familienunterhalt bei. 170 soles gehen davon für Lebensmittel drauf.
Die Familie hat ein kleines Häuschen aus Sillar mit zwei Zimmern und drei Betten
-und das für 6 Personen.
Gekocht wird mit Gas - wenn das Geld fehlt mit Holz. Die Toilette befindet sich im Garten.
Bei der Frage, ob das Geld zum Leben ausreicht, schaut Demi Alicia auf den Boden und sagt leise: "Nein".


Celia Parapaza Capajana, 28 Jahre

lebt seit 10 Jahren in La Mansión. Sie hat nur die Grundschule abgeschlossen und somit nie einen Beruf erlernt.
Celia ist verheiratet und ihr erstes Kind bekam sie mit 20. Ihr Mann ist Handwerker und verdient 230 soles in der Woche.
Davon brauchen sie 100 soles, also 25 Euro, für Essen.
Allerdings gibt es nicht immer Arbeit für ihren Mann. Keine Arbeit-kein Essen.
So einfach lautet die Regel in ihrer Familie. Das Haus besteht auch aus Sillar mit Holzdach und einem Zimmer, inklusive Küche.
Vor 5 Jahren ist ihr zweites Kind an einer einfach Grippe gestorben.
Für Krankenhaus und Medikamente fehlte das Geld.


Das Leben ist hart in La Mansión-das ist mir in den letzten zwei Wochen noch einmal richtig bewusst geworden.
Jede einzelne Familiengeschichte hat mich zutiefst bewegt und gleichzeitig wütend, traurig und vor allem nachdenklich gemacht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen